Die Geschichte des Güstrower Friedhofs

Aus der 170-jährigen Geschichte des evangelisch-lutherischen Friedhofes Güstrow

1833 wurde der heute evangelisch-lutherische Friedhof Güstrow als der „Neue Begräbnisplatz vor dem Mühlenthore“ angelegt. Die Überlegungen hierzu lagen jedoch schon weiter zurück.

Entwurf des Neuen Hauptgebäudes des Neuen Friedhofs um 1833

Quelle: Stadtarchiv Güstrow, Karten- und Planbestand, Friedhof Güstrow

Jahrhundertelang war der Kirchhof der vorherrschende Begräbnisplatz. Zwischen 1750 und 1850 ist in fast ganz Europa zeitgleich die Ablösung der innerstädtischen Kirchhöfe durch neue Friedhöfe an der städtischen Peripherie festzustellen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum Einen waren es die sich wandelnden Einstellungen zur Natur und zur Kunst in der Aufklärung, zum Anderen die öffentlichen sozialkritischen Auseinandersetzungen über eine hygienische, vernünftige Bestattung (Voltaire/Rossett) und die geänderte Einstellung zum Tod.

In Güstrow begann dieser Prozess 1780/81 mit der Schließung des Domfriedhofs vor dem Hagenböcker Tor als offizieller Begräbnisplatz der Stadt. Langfristig konnte dieser seine Funktion nicht erfüllen. Für die Anlage eines größeren, nach modernen Gesichtspunkten angelegten Friedhofes fiel die Wahl auf ein Terrain vor dem Mühlenthor im Norden der Stadt.

Unter dem Eindruck einer Choleraepidemie, die ganz Europa einschließlich Mecklenburg heimsuchte, veranlasste der Magistrat der Stadt 1832 die notwendigen Schritte zur Friedhofsplanung. Vorbild für den neuen Güstrower Friedhof war der 1787/89 von Friedrich Wilhelm Erdmannsdorff  (1736–1800) geschaffene „Stadtgottesacker“ von Dessau.

Die Wahl fiel auf eine Fläche seitlich des Begräbnisplatzes der St. Jürgenstiftung an der Chaussee nach Laage (Rostocker Chaussee). Dem Dessauer Vorbild entsprechend entstand eine annähernd quadratische, von einer hölzernen Einfriedung  umgebene Friedhofsanlage. Von einem Vorplatz an der Chaussee aus betrat man den Friedhof durch ein Torgebäude (heute Verwaltungsgebäude).

Grundriss des 1787/89 erschaffenen Gottesackers zu Dessau

Grundriss des 1787/89 erschaffenen Gottesackers zu Dessau

Quelle: Stadtarchiv Güstrow, Karten- und Planbestand, Friedhof Güstrow

In diesem befanden sich die Wohnungen des Friedhofswärters und die Leichenkammer. An der westlichen Friedhofsseite, dem Torgebäude gegenüber, entstanden bis ca. 1875 13 Gruftbauten (heute Kleine Trauerhalle u. a.). Zwischen diesen Gebäudekomplexen wurde ein Kreuzweg angelegt, der die Fläche des Friedhofs in vier Grabfelder unterteilte. Entlang der Wege legte man Lindenreihen an.

Die Notwendigkeit einer Vergrößerung stellte sich schon bald. Mitte der. 50er-Jahre waren die vier Abteilungen am St. Jürgensweg bereits zu einem erheblichen Teil belegt. 1860/61 wurde dem Friedhof an der Nordseite ein fast gleich große und gleich gestaltete Fläche zugeschlagen. Ebenfalls erweitert wurde der Vorplatz. Dieser gliederte sich in eine Promenade mit einer Baumreihe an der Rostacker Chaussee, ein langgestrecktes Rasenstück, welches an den Rändern mit Linden bepflanzt war, und einen „Lustweg“ entlang der neu aus „durchbrochenem“ Ziegelmauerwerk erbauten Friedhofsmauer. Entsprechend der Gestaltung der ersten Anlagephase ist im Rahmen der Friedhofserweiterung ein zweites Torgebäude errichtet worden

(heute Große Trauerhalle). Insbesondere sollte ein „mit dem alten Hause harmonierendes Gebäude“ errichtet werden. Dieses Gebäude solle „in dem unteren Raum zu Begräbnisplätzen und im oberen Raum ganz zur Abhaltung geistlicher Handlungen (Begräbnisandachten bei schlechter Witterung) eingerichtet werden, der in Notfällen als Leichenkammer zu benutzen ist“. Die ursprüngliche hölzerne Einfriedung aus den 30er Jahren ist um 1860 in einem sehr schlechten, nicht mehr ausbesserungswürdigen Zustand gewesen. Sie wurde entfernt und über die gesamte Länge durch die bereits erwähnte durchbrochene Ziegelmauer ersetzt. Das Innere des Friedhofes ist entsprechend der Gestaltung der ersten Anlagephase mit einem Kreuzweg und Lindenpflanzungen angelegt worden.

Bereits zum Zeitpunkt dieser ersten Erweiterung um 1860 waren weitere Friedhofsvergrößerungen vorherzusehen. In der Folge setzten Überlegungen ein, die zu der Friedhofsrahmenplanung von 1874/75 führten. Diese wurde in zwei Abschnitten umgesetzt, der erste Abschnitt 1888 und der zweite 1902. In der Fortsetzung des bestehenden Gestaltungsprinzips ist die Anlage um Jeweils eine weitere „Vierfelderanlage“ und um die Verlängerung des Vorplatzes nach Norden erweitert worden. Die Herstellung der durchbrochenen Ziegelmauer, mit welcher die ersten beiden Bauabschnitte von der Chaussee her klar erkenntlich zu einer Einheit zusammengefügt wurden, unterblieb. Statt ihrer erfolgt die Einfriedung dieser Erweiterungen auf der Vorplatzseite mit einer Hecke, welche im Situationsplan dargestellt ist. „Die Einfriedung wurde durch eine doppelte Buchenhecke hergestellt, zu welchen zum Teil die oben erwähnten ausgegrabenen Pflanzen benutzt wurden.“ In der Baubeschreibung zur Erweiterung von 1888 heißt es:

Situationsplan von dem neuen Begräbnisplatze vor dem Mühlenthore zu Güstrow, 1874/1875

Situationsplan von dem neuen Begräbnisplatze vor dem Mühlenthore zu Güstrow, 1874/1875

Quelle: Stadtarchiv Güstrow, Bestand Friedhof, Akte Situationspläne von dem Begräbnisplatz (vor dem Mühlentor)

„Die neuen Eingangsthore […] schließen sich den vorhandenen im Stil ziemlich an.“ Neben den beiden neuen Toren an der Rostacker Chaussee ist am heutigen St. Jürgensweg ein weiterer Zugang geschaffen worden. An der südlichen Ecke des alten Friedhofes ist ein neues Eingangsthor geschaffen um den Bedürfnissen des von der Schwaaner Straße herkommenden Publikums zu dienen.“

„Mit dem Größerwerden des neuen Begräbnisplatzes und dem damit ansteigenden Publikumsverkehr, reichten die ursprünglich relativ kleinen Wegequerschnitte nicht mehr aus. Es wurde erforderlich, die Wege zu verbreitern. Die Wege, welche von 2 Reihen schöner Lindenpflanzen besäumt sind, haben eine etwas größere Breite wie die vorhandenen, erhaltenen und zwar sind die Hauptkreuzwege 9 m breit, die Nebenwege jedoch nur 6 m. […] die zu Wegen eingewölbten Flä­chen (wurden) je nach ihrem Un­tergrunde mit Kohlensehlacke (ca. 10 cm hoch) und gutem Kies (ca. 12 cm hoch) befahren“.

An besonderen Stellen wurden Fichten, Trauerweiden, verschie­dene Thuja- und Taxusarten und Edeltannen gepflanzt.

Mit der dritten Friedhofserweiterung von 1902 endet die Kontinuität in der Gestaltung. Nach dem l. Welt­krieg und in der Folgezeit vergrö­ßerte man den Friedhof noch um mehrere Abschnitte. So wurde 1922 eine Fläche westlich des Begräbnis­platzes hinzugenommen. Das Prin­zip der gradlinigen Erschließung blieb erhalten. Sie verlor jedoch ihre klare Gliederung mit der Abkehr von der klassischen Vierfelderanlage. Die Bepflanzung der Wege erfolgte mit anderen, standortgerechten Gehöl­zen wie der Sand-Birke und der ge­meinen Kiefer.

An verschiedenen Stellen des Fried­hofes befinden sich Begräbnisstät­ten für Menschen, die infolge der beiden Weltkriege ums Leben kamen. So sind auf einem Feld Sol­daten des l. Weltkrieges begraben worden. Auf einem anderen großen Gräberfeld sind Soldaten des 2. Welt­krieges beigesetzt worden.

In 4 Massengräbern liegen Zivilper­sonen, die bei einem Bombenan­griff am 7.4.1945 ums Leben kamen. Dazu kommen Einzelgräber von Flüchtlingen, die in der Zeit des Zusammenbruches verstarben. Auf einem besonderen Feld sind Ver­folgte des Nationalsozialismus be­stattet. Ein Säulenring ist als Ehren­mal für die Opfer des Faschismus errichtet worden. In unmittelbarer Nähe steht ein Gedenkstein für polnische Zwangsarbeiter, die im Schloß zu Güstrow untergebracht waren und in der Zeit von 1939–1945 verstarben.

Unter den Einzelgräbern namhafter Güstrower hebt sich der Grabstein mit einer Reliefplatte von John Brinckman hervor, einem der be­deutendsten Dichter norddeutscher Sprache im 19. Jahrhundert. Beson­ders hingewiesen sei auf die Grab­stelle von Friedrich Schult, dem engen Vertrauten Ernst Barlachs und Herausgeber des Werkkata­loges. So werden für den, der su­chend und sinnend über diesen Friedhof geht, Grabstätten zu Zeu­gen vergangener Zeiten.

Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wur­den, bist du, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der du die Men­schen lässt sterben und sprichst: Kommt wieder. Men­schenkinder! Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Du lässt sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst, das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und ver­dorrt. Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

Psalm 90, 1-6, 12

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